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Schornsteinfeger – keine Instanz gegen Feinstaub

Schild gegen Feinstaub

Die Feinstaubdebatte flammt immer wieder auf – Nahrung bekommt sie derzeit vor allem durch die Abgasskandale von VW und anderen Automobilherstellern. Auch Kaminöfen geraten in dieser Diskussion immer wieder in den Fokus. Die zweite Stufe der Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) ist längst in Kraft getreten. Das Umweltbundesamt setzt sich damit ehrgeizige Ziele. Aber wie realistisch sind diese und warum stock die Umsetzung?

Was ist Feinstaub und warum ist er so gefährlich?

Zur Umsetzung der Verordnung müssten in Deutschland in den nächsten Jahren Millionen von Öfen ausgetauscht oder stillgelegt werden, viele von ihnen dürften bereits heute nicht mehr in Arbeit sind. Die Aufgabe, nicht mehr regelkonforme Öfen stillzulegen, obliegt den Schornsteinfegern. Erfüllt wird sie von diesen nur sehr zögerlich – aus gutem Grund: Viele gewerblich arbeitende Schornsteinfeger können sich nicht leisten, wegen der durch den Staat geforderten Ofenstillegungen Kunden zu verlieren.

 

Die Kategorie Feinstaub wurde ab 1997 durch die Veränderung der US-amerikanischen Umweltstandards in die Debatte eingeführt. Die Bewertung von Immissionen – gesundheitsschädlicher Umwelteinflüsse auf den Menschen – hat sie grundlegend verändert. Bis dahin ging es bei Immissions-Grenzwerten und Verboten um die Gesamtbelastung für den Organismus, im Hinblick auf Feinstäube rückten nun die Anteile von Immissionen in den Vordergrund, die eingeatmet werden können. Besonders gefährlich sind Verbrennungsrückstände und andere Schadstoffe immer dann, wenn sie eingeatmet werden und der Körper nicht in der Lage ist, die Partikel aus der Atemluft zu filtern oder abzubauen.

 

Abgase, Verbrennungsrückstände, aber auch Abriebe auf Straßen oder Schienen gehören zu den wichtigsten Feinstaubquellen. Gefährlich sind vor allem Feinstäube, deren Partikel kleiner als 2,5 Mikrometer sind. Sie erreichen auch die tieferen Lungenareale, zum Teil dringen sie auch in die Blutgefäße vor. Die möglichen Folgen bestehen in Asthma, Herzinfarkten, Schlaganfällen sowie Lungenkrebs und anderen bösartigen Tumoren. Das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz gibt an, dass in Deutschland 32.000 und in Europa 180.000 Menschen pro Jahr an den direkten Folgen von Luftverunreinigungen sterben.

Welche Ziele bei der Feinstaubbekämpfung will die Bundesregierung erreichen?

Die erste gesetzliche Verordnung gegen Feinstaub trat 1980 in Kraft, seitdem gab es verschiedene neue Regelungen. Derzeit liegt der Jahresmittelwert bei 40 Mikrometer Feinstaub pro Kubikmeter Luft, der Tagesmittelwert darf 50 Mikrogramm betragen und an 35 Tagen pro Jahr überschritten werden. Diese Werte sind durchaus auch Ausdruck einer wenig konsequenten europäischen und nationalen Umweltpolitik – ursprünglich war ein Jahresmittel von maximal 20 Mikrogramm Feinstaub bei nur sieben Überschreitungen des Tagesmittels vorgesehen.

Welche Regelungen sieht das Bundesumweltamt für die Feinstaubimmissionen von Öfen vor?

Die 1. Bundesimmissionsschutzverordnung galt ab 2010 für kleine und mittlere Einzelfeuerungsanlagen – beispielsweise Kaminöfen, Kachelöfen, Herde oder Holzheizkessel. Unter anderem regelte sie die Anforderungen an die Brennstoffe sowie den maximalen Ausstoß an Feinstäuben und Kohlenmonoxid, die Überwachung bestehender Anlagen sowie Sanierungsauflagen sowie den stufenweisen Austausch alter Öfen. Beispielsweise müssten alle Kaminöfen mit Typenschildern/Baujahren vor 1975 bereits im Jahr 2014 stillgelegt worden sein.

Seit dem 1. Januar 2015 ist die 2. Bundesimmissionsschutzverordnung in Kraft getreten. Für Kaminöfen, Schwedenöfen und andere Feuerstätten, die vor dem 22. März 2010 in Betrieb genommen wurden, gelten weiterhin die früheren Schadstoffwerte, für neuere Modelle wurden die Auflagen verschärft. Ausnahmen sind für historische Kamine und einige spezielle Ofentypen vorgesehen.

Für den Betrieb bzw. den Austausch/die Stilllegung von Öfen gilt:

    • Ein bereits existierender Kaminofen oder Schwedenofen darf weiterbetrieben werden, wenn durch Herstellerzertifikat oder eine einmalige Vor-Ort-Messung nachgewiesen werden kann, dass die Grenzwerte der 1. BImSchV eingehalten werden. Falls die Öfen diese Vorgaben nicht erfüllen, gelten Übergangsfristen, deren Ablauftermin je nach Typenschild und Baujahr in die Jahre 2015 bis 2025 fällt. Nach Ablauf der Übergangsfrist muss mit Ausnahme von offenen Kaminen der Einbau eines Feinstaubfilters oder die Stilllegung der Feuerstätte erfolgen.

 

    •  Feuerstätten, die nach dem 22. März 2010 in Betrieb genommen wurden, müssen die Grenzwerte der 1., jedoch nicht der 2. BImSchV erfüllen. Sie genießen Bestandsschutz, der gegebenenfalls durch eine Vor-Ort-Prüfung abgesichert wird.

 

  • Die Feinstaub- und Kohlenmonoxid-Immissionen von Kaminöfen, Schwedenöfen und andere Feuerstätten, die ab Anfang 2015 in Betrieb genommen wurden, dürfen die neuen, niedrigeren Grenzwerte der 2. BImSchV nicht überschreiten.

Ehrgeizige Ziele – begrenzte Resultate

Den ehrgeizigen Zielen des Bundesumweltamtes stehen im Hinblick auf ihre Umsetzung recht begrenzte Resultate gegenüber. Der Industrieverband Haus-, Heiz- und Küchentechnik (HKI) e. V. nennt Zahlen: Demnach waren bereits im Jahr 2014 von den Vorgaben der 1. BImSchV für Austausch, Nachrüstung oder Stilllegung rund 4,2 Millionen der insgesamt 12,7 Millionen Einzelfeuerstätten betroffen, bis Ende 2015 waren weitere 1,2 Millionen Feuerstätten obsolet. Tatsächlich erneuert, mit Feinstaubfiltern ausgerüstet oder stillgelegt wurden bisher jedoch nur etwas mehr als 100.000 Öfen. Dass die Umsetzung der 2. BImSchV in vollem Maß erfolgt, ist angesichts dieser Daten mehr als unwahrscheinlich. Zu den Ursachen dafür gehören limitierte Kontrollen durch die Schornsteinfeger.

Welche Rolle spielen die Schornsteinfeger bei der Umsetzung der Feinstaub-Umweltziele?

Die Aufgaben von Schornsteinfegern sind bundeseinheitlich geregelt. Der Bezirksschornsteinfeger und die von ihm eingestellten Mitarbeiter sind dafür zuständig, Schornsteine zu reinigen, ihre Funktionsfähigkeit zu prüfen und das Beheben von Schäden zu veranlassen sowie die Abgaswerte und den Kohlenmonoxid-Ausstoß von Heizungsanlagen und Feuerstätten zu messen. Außerdem obliegt ihnen in 3 ½ – jährigen Intervallen die gesetzlich vorgeschriebene Feuerstättenschau und die Ausstellung des (kostenpflichtigen) Feuerstättenbescheids. Hausbesitzer sind verpflichtet, dem zuständigen Bezirksschornsteinfeger alle Neubauten sowie Veränderungen an bestehenden Feuerstätten anzuzeigen. Bei Mängeln kann dieser die Stilllegung des Ofens verlangen.

Bei der Umsetzung der Bundesimmissionsschutzverordnungen kommt den Schornsteinfegern somit eine Schlüsselrolle zu. Unter anderem sind sie verantwortlich dafür, die Typenprüfungen sowie die Vor-Ort-Kontrollen von Feinstaub- und Kohlenmonoxid-Immissionen durchzuführen.

Schornsteinfeger: Hoheitliche Aufgaben versus gewerbliche Tätigkeit

Noch vor wenigen Jahren waren – vor diesem Hintergrund – die Aufgaben von Schornsteinfegern eindeutig geregelt. Die Bezirksschornsteinfeger besaßen ein „Kehrmonopol“: Sie wurden durch die Gemeinden auf Lebenszeit bestellt, von der öffentlichen Hand bezahlt und übten hoheitliche Funktionen aus. Interessenkonflikte oder gewerbliche Konkurrenz waren in dieser Konstellation nicht gegeben. In den Bundesländern gab es jeweils eigene Schornsteinfegergesetze.

Ab dem 1. Januar 2013 wurden die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften zur Tätigkeit von Schornsteinfegern durch EU-Recht ausgehebelt. Schornsteinreinigung, Feuerstellenprüfung und Abgasmessung dürfen seitdem auch durch gewerblich tätige Schornsteinfeger vorgenommen werden. Im Gegenzug erhielten die Bezirksschornsteinfeger das Recht zur Ausübung von Nebentätigkeiten. Außerdem wurde die Amtszeit der Bezirksschornsteinfeger auf sieben Jahre limitiert, nach Ablauf dieser Frist müssen sie sich für ihren Kehrbezirk erneut bewerben.

Aus der neuen Gesetzeslage ergibt sich die folgende Aufgabenteilung:

    • Der zuständige („bevollmächtigte“) Bezirksschornsteinfeger verantwortet weiterhin für die Feuerstättenschau, die Bauabnahme und Prüfung neuer oder veränderter Öfen, die das Führen des Kehrbuchs sowie die Durchführung sogenannter Ersatzvornahmen, falls Hauseigentümer ihre Pflichten zur Reinigung, Überprüfung und Abgasmessung nicht erfüllen. Hier gibt es keinen Wettbewerb: Der bevollmächtigte Schornsteinfeger darf diese Aufgaben ausschließlich im kommunalen Auftrag erfüllen und in diesem Bereich nicht zusätzlich gewerblich tätig sein.

 

  • Schornsteinreinigung und Abgasmessung dürfen vom Bezirksschornsteinfeger oder gewerblich tätigen Schornsteinfegern vorgenommen werden. Die Entscheidung, welcher Schornsteinfeger hierfür ins Haus kommt, trifft der Hausbesitzer.

Interessenkonflikte – durch die neue Gesetzeslage programmiert

Interessenkonflikte sind durch die neue Gesetzeslage programmiert. Die gewerblichen Schornsteinfeger müssen agieren wie jeder andere selbstständige Unternehmer auch. Ohne guten Service laufen sie Gefahr, ihre Kunden zu verlieren. Gut ist im Zweifelsfall, was den Hausbesitzern nützt.

Durch die Zulassung von Nebentätigkeiten für die Bezirksschornsteinfeger hat sich jedoch auch deren Position verändert. Viele von ihnen bieten nichthoheitliche Leistungen heute auch auf gewerblicher Basis an. Das Spektrum möglicher Nebentätigkeiten reicht von klassischen Schornsteinfegerarbeiten inklusive Abgasmessung über den Verkauf von Kaminbauteilen bis zur Energieberatung. Zwar darf ein Bezirksschornsteinfeger in der Ausübung seiner hoheitlichen Funktionen keine Anlagen prüfen, die von ihm oder seinen Mitarbeitern im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit errichtet oder ausgestattet worden sind – trotzdem resultiert aus der neuen Situation auf für ihn ein Zwiespalt zwischen öffentlichem Interesse und den Interessen realer oder potentieller Kunden im gewerblichen Bereich.

Ein rechtliches Schlupfloch in der Immissionsschutzverordnung

Zudem hat der Gesetzgeber in der Bundesimmissionsschutzverordnung ein Schlupfloch für Hausbesitzer eingebaut, die Austausch oder Nachrüstung älterer und nach den aktuellen Regelungen eigentlich nicht mehr zulässiger Feuerstätten vermeiden wollen. Die Vorgaben der 2. BImSchV gelten lediglich für geschlossene Öfen – im Sinne des Gesetzes handelt es sich dabei um einen Kaminofen oder Schwedenofen, der mit einer selbstständigen Tür versehen und für die Mehrfachbelegung des Schornsteins geeignet ist. Offene Kamine sind von den Immissionsschutzregelungen ausgenommen, was in der Praxis dazu führt, dass geschlossene Öfen in den Prüfpapieren zu offenen Feuerstätten umgedeutet werden können.

Die Lösung: Kontrollen für die Schornsteinfeger und mehr Umweltbewusstsein bei den Hausbesitzern

Dass die bestehende Gesetzeslage revidiert wird, ist in absehbarer Zukunft nicht wahrscheinlich. Der Gesetzgeber muss sich daher entscheiden, ob er – und die Gesellschaft – auf lange Sicht mit einer unvollkommen Umsetzung der Immissionsschutzverordnung leben wollen oder ob dazu neue Mechanismen notwendig sind.
Ohne Kontrollen der Tätigkeit der Schornsteinfeger im Hinblick auf die Abgasmessung und insbesondere die Ofenprüfung lässt sich in diesem Bereich nichts ändern. Die Aufgabe, entsprechende Kontrollroutinen zu erarbeiten und einzusetzen, liegt bei den Bauämtern sowie den einschlägigen Branchenverbänden – dem HKI sowie der Europäischen Feuerstätten Arbeitsgemeinschaft EFA. De facto würde die Tätigkeit der Schornsteinfeger in diesem Bereich hierdurch allerdings auch abgewertet.

Parallel dazu geht es darum, bei den Hausbesitzern größeres Umweltbewusstsein zu entwickeln. Ob das Argument der Gesundheitsschädlichkeit von Feinstaub hier den Ausschlag gibt, sei einmal dahingestellt. Mit dem Austausch eines alten Ofens sind jedoch auch einige handfeste Vorteile verbunden. Ein neuer Kaminofen oder Schwedenofen benötigt weniger Holz und erzielt höhere Wirkungsgrade. Außerdem stellt die Neuanschaffung sicher, dass der Kaminofen ohne weitere Änderungen über das Jahr 2025 hinaus in Betrieb bleibt. Eine Nachrüstung mit Feinstaubfiltern oder Anpassungen der Brennkammer sind oftmals teurer als die Anschaffung eines neuen Ofens: Für Filter werden zwischen 800 und 1.200 Euro, für Aufrüstung der Brennkammer oft sogar mehr als 2.000 Euro fällig.