Kamine

Gesetze gegen Feinstaub – Die Gratwanderung zwischen aktivem Umweltschutz und Selbstbetrug

Ortsschild Feinstaub-Gesundheit

Gesundheitlich belastend, smogauslösend und umweltgefährdend: Feinstaub gehört zu den unangenehmsten Begleiterscheinungen, die bei der Verbrennung der unterschiedlichsten Brennstoffen entstehen. Mit zu den Hauptverursachern gehören dabei toxische Stäube, wie sie beim Betrieb von Diesel- und Otto-Motoren, Heizungsanlagen oder auch von privaten Feuerstätten wie Kaminöfen freigesetzt werden.

 

Die aktuelle Situation auf dem Prüfstand

Seit dem VW-Betrugsskandal über vorsätzlich manipulierte Abgaswerte ist die Thematik ein weiteres Mal in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion gerückt. Im Zusammenhang mit dem „ertappten“ Autohersteller kann hierbei von vorsätzlicher, krimineller Energie zur Aushebelung internationaler Normen und der regelnden Bundesimmissionsschutzverordnungen (BImschV) gesprochen werden. Wie sieht es zu dieser Thematik im Umfeld von privaten Feuerstellen, Kaminöfen Co. aus? Werden in Deutschland tatsächlich die hochgesteckten Ziele des zuständigen Fachministeriums für Umweltschutz erreicht?

Nicht differenzierbar: Feinstaub ist immer gefährlich

Entgegen oftmals geäußerter, landläufiger Ansicht, es könne pauschal zwischen gefährlichen und weniger belastenden Feinstäuben unterschieden werden, ist diese These – gerade wenn sie Verbrennungsrückstände betrifft – wissenschaftlich nicht haltbar: Gefährlich wird es in dem Moment, in dem die Staubpartikel „lungengängig“ werden, weil sie so klein sind, dass sie durch körpereigene Abwehrmechanismen wie Schleimhäute oder Bronchien nicht mehr ausgefiltert werden können.

 

Ob dieser Feinstaub dabei aus dem Auspuffrohr eines Autos oder aus dem Kaminofen-Schornstein kommt, spielt zunächst keine Rolle. Es ist also enorm wichtig Feinstaub zu vermeiden. Der technische Fortschritt hat bereits einen großen Teil zur Verringerung der Emmissionen beigetragen. Die Novellierung zur Bundesimmissionsschutzverordnung die sich faktisch bereits seit 2010 in der Umsetzung auf Herstellerseite befand, war ein richtiger Schritt zur Erneuerung von Einzelraumfeuerstätten.

Übergangsfristen nach der BImschV – ein kleiner Mangel

Konzentriert man die Betrachtungen über die Feinstaub-Problematik auf die so genannten Einzelraumfeuerstätten kann auffallen, dass die Überleitungsvorschriften hinsichtlich des Zeitpunkts der Stilllegung/ Nachrüstung zu lang gesetzt wurden. So ist nach der BImschV für den privaten Kaminofen zunächst einmal folgendes festgelegt:

 

– Ein Kaminofen mit Typenschild vor 1975 muss Ende 2014 stillgelegt werden
– Ein Kaminofen mit Typenschild vor 1985 muss Ende 2017 stillgelegt werden
– Kaminöfen mit Typenschild vor 1995 muss Ende 2020 außer Betrieb genommen werden
– Für einen Kaminofen ab 1995 ist 2024 Schluss

 

Das gesetzlich postulierte Betriebsende für Kaminöfen kann jedoch durch geeignete Umbauten oder Filter in der Abgastechnik vermieden werden, wenn die aktuell vorgeschriebenen Grenzwerte der BImschV damit erreicht werden. Für die Überwachung dieser Regularien sind die örtlichen Kaminkehrer verantwortlich. Sie sind befugt, darüber zu entscheiden, ob ein Kaminofen weiterbetrieben werden darf oder nicht.

Unverständlich wenig Stilllegungen: Geht der „Schuss“ ins Leere?

In der Praxis ergibt sich trotz klarer Vorgaben allerdings ein anderes Bild: Von insgesamt ca. 14 Millionen dieser Einzelraumfeuerstätten müssten nach den eigentlich unmissverständlichen Ausführungsvorschriften ca. 4,2 Millionen Kaminöfen getauscht, nachgerüstet oder stillgelegt werden.

 

Bei ca. einer Million Kaminöfen werden die aktuellen Feinstaubwerte nicht mehr erreicht. Sie sollten daher bereits jetzt stillgelegt sein. Die tatsächlichen Zahlen sagen unverständlicherweise etwas anderes: Bis dato wurden gerade einmal knappe 100.000 Feuerstellen „aus dem Verkehr gezogen“ oder ausgetauscht. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Kaminkehrer entweder mit der Durchsetzung des hoheitlich angeordneten Umweltschutzes überfordert sind oder die Vorschriften zu lax handhaben.

 

Hinter vorgehaltener Hand machen Berichte die Runde, dass bei der bewussten Aushebelung der BImschV mitunter tief in die Trickkiste gegriffen wird. Die Motivation hierfür liegt vermutlich in den meisten Fällen in einer falsch verstandenen „Kundenfreundlichkeit“. Ergänzt durch die Angst der zuständigen Kaminkehrer, Teilbereiche ihres Betätigungsfeldes zu verlieren.

Aus Eins mach Zwei

Ein beliebter „Kniff“ ist die „Umbenennung“ einer bestehenden Feuerstelle der Bauart 1 (Kaminofen mit selbständig schließender Tür und Eignung zur Mehrfachbelegung des Schornsteins) zu einer Feuerstelle der Bauart 2 (Feuerstelle die offen betrieben werden kann). Der Gesetzgeber hat hier leider die Lücke aufgetan: Eine Bauart 2 Feuerstelle wird nicht von den Stilllegungsvorschriften der BimschV erfasst.

 

Die Folgen eines solchen Handelns liegen auf der Hand: Die von der Regierung über die BImschV avisierten Ziele zur Reduzierung der Feinstaub-Belastung werden bei Kaminöfen genauso nicht erreicht bzw. ausgehebelt, wie das derzeit offensichtlich in der Automobilbranche mit der aufrüttelnden „Initialzündung“ VW-Skandal der Fall ist.

Konzertierte Aktion: Politik, Branchenverbände und Kaminkehrer müssen handeln

Es liegt in der Natur der Sache, dass unter den derzeit gegebenen Voraussetzungen die angedachten Planzahlen zur Feinstaub-Reduktion für Kaminöfen nicht mehr eingehalten werden können. Statt darauf zu warten, bis das „Kind in den Brunnen gefallen ist“ und sich dann auf die Suche nach einem Sündenbock für die verfehlten Ziele zu machen, wäre schnelles und gemeinsames Handeln gefragt.

 

Angefangen von einer engmaschigeren Kontrolle des durch die BImschV formulierten Maßnahmenpaketes rund um den Kaminofen durch die zuständigen Bauämter. Diese wären angehalten, ihr Personal schulend für die Materie zu sensibilisieren, um eine verstärkte und kompetente Kontrolle der Kaminkehrer realisieren zu können.

 

Last but not least sind neben dem Bundesministerium für Umwelt als federführende Instanz auch die einschlägigen Branchenverbände HKI und EFA gefragt. Deren schlüssigem, umweltgerechten und normenorientiertem Auftreten kommt eine gewichtige Bedeutung im Weg zum Erreichen des Solls der BImschV zu.

Abgasverhalten auf dem Prüfstand – Realität vs. Praxis

Damit die BImschV greifbare und messbare Erfolge erzielt, ist es nicht nur erforderlich, dass sie in der Konsequenz ihrer Vorschriften umgesetzt wird. In diesem Zusammenhang geraten die gängigen Prüftechniken und Prüfzyklen zurecht ins Fadenkreuz der Kritik. Gerade bei Typprüfungen von Kraftfahrzeugen werden auf stationären Prüfständen „klinische“ Mess-Szenarien geschaffen, die das Ziel haben, die Ergebnisse zu schönen. Mit dem Abgasverhalten – explizit dem Feinstaub-Ausstoß im Normalbetrieb auf der Straße haben diese Verfahren wenig zu tun.

 

Wie bei VW verführte diese gängige Praxis letztendlich zum offenen Betrug. Es ist davon auszugehen, dass diese Herangehensweise nicht nur auf die Automobilbranche beschränkt ist, sondern auch in Bereich der Hersteller von Kaminöfen gang und gäbe ist. Auch wenn die deutsche Gesetzgebung eine erfreuliche Vorreiterrolle in Bezug auf den Umweltschutz einnimmt, wird es vordergründige Aufgabe des Bundesministerium für Umwelt sein, die standardisierten Kontrollmechanismen zu optimieren und Prüfverfahren praxisorientiert zu vereinheitlichen. Für das Automobil genauso wie für den Kaminofen.

Angewandter Umweltschutz: Eigenes Verhalten reflektieren

Bei aller Wichtigkeit gesetzlicher Reglementierungen darf die Notwendigkeit eigenverantwortlichen Handelns neben der BImschV nicht vernachlässigt werden. Ein grundsätzlicher Austausch von Kaminöfen, die in die Jahre gekommen sind empfiehlt sich schon vor dem „offiziellen“ Aus. Die Vorteile sprechen für sich. Moderne Brennraumkonstruktionen und optimierte Luft- und Abgasführung punkten mit:

 

– Kostenersparnis durch geringeren Bedarf moderner Kaminöfen an Heizmaterial
– hohe Wärmeeffizienz bei einem neuen Kaminofen
– bessere Abgaswerte und geringerer Feinstaub-Ausstoß im Sinne der BImschV

 

Dass in einen Kaminofen ausschließlich unbehandeltes, trockenes Holz oder andere geeignete Heizmaterialien gehören, sollte heutzutage selbstverständlich sein, mithin ist dies allerdings leider noch nicht ins Bewusstsein aller Ofenbesitzer vorgedrungen.

Hi-Tec: Heiztechnik im Niedrigenergiehaus

Niedrigenergiehäuser tragen dem Umweltschutzgedanken in ganz besonderem Maße Rechnung. Die verwendeten Materialen, eine intelligente, teils computergesteuerte Be- und Entlüftung oder Heiztechnik unter Ausnutzung alternativer oder regenerativer Energiequellen sind die Eckdaten solcher Baukonzepte.

 

Der Einsatz eines Kaminofens und die Verbrennung fossiler Brennstoffe steht nicht nur der ausgezeichneten Ökobilanz solcher Häuser entgegen. Sie wird den Bauherren, der im Niedrigenergiehaus auf eine solche Feuerstelle nicht verzichten möchte, vor Probleme stellen, die mit einem gesteigerten technischen und finanziellen Aufwand verbunden sind.

 

Den größten Stellenwert wird dabei die aufwändigere Zuluft- und Abgassteuerung einnehmen, die in solchen Bauten für Kaminöfen nicht ohne weiteres zu realisieren sind. Die erhöhte Gefahr, dass der Kaminofen Abgase oder Kohlenmonoxid an die Umgebungsluft abgibt, muss hier zuverlässig konstruktiv und regeltechnisch ausgeschlossen werden.

Grenzenlose Ziele

Feinstaub ist kein lokal bezogenes Problem. Unabhängig von der Quelle seiner Entstehung sind auch die Nachbarländer der Verursacher betroffen. In der internationalen Zusammenarbeit ist eine klare Bekenntnis zum globalen Umweltschutz erkennbar. Die deutsche BImschV trägt per se ihren Teil zur Reduzierung des Feinstaub-Ausstoßes bei.

 

Bei der Ausführung und der Umsetzung der BImschV besteht jedoch noch Handlung- und Nachbesserungsbedarf. Um die gesetzten hohen Ziele dieser Verordnung umzusetzen und erfreuliche Zahlen vorlegen zu können, wird das Bundesministerium für Umweltschutz auf weitreichendere Kontrollen und präzisere Formulierungen setzen müssen.